Solidarische Pflegeversicherung einführen! Für eine Bürgerinnen- und Bürgerversicherung in der Pflege.

Frau Präsidentin!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Personalmangel, Arbeitsverdichtung, Burn-out, das sind Schlagworte, die mit der Pflege in diesem Land assoziiert werden. Wundliegen, keine Zeit für Gespräche, „im Minutentakt gepflegt werden“ prägen die Erfahrungen von Menschen mit Pflegebedarf. Überlastung, ein permanentes Hin-und-her-gerissen-Sein zwischen dem eigenen Lebensentwurf sowie den Sorgen und Nöten geliebter Menschen, damit kämpfen pflegende Angehörige. Dass dies Begriffe und Bilder sind, die vielen beim Thema Pflege einfallen, ist ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist ein Armutszeugnis vor allen Dingen auch deshalb, weil es nicht sein muss, nicht angesichts der Wirtschaftskraft der Bundesrepublik.

Gleich werden Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, sicherlich auf die Pläne des Gesundheitsministeriums für das Pflegestärkungsgesetz II Bezug nehmen. Dass wir die Erwartungen nicht allzu hoch stecken sollen, davor haben Sie uns schon mehrfach gewarnt. Ich möchte hier gar nicht im Einzelnen darauf eingehen, nur so viel: Solange die Finanzierung nicht gesichert ist, bleibt zu befürchten, dass jede Verbesserung an der einen Stelle Verschlechterungen an einer anderen Stelle mit sich bringt; denn der Finanzbedarf ist riesig. Gleichzeitig fehlt es aber an einem ‑ ich betone das ‑ langfristigen Finanzierungskonzept; denn nach bisherigem Planungsstand reichen die Beitragserhöhungen nicht für die Finanzierung der Reformschritte aus.

(Mechthild Rawert (SPD): Quatsch!)

Statt nun aber den 2014 unsinnigerweise beschlossenen Pflegevorsorgefonds aufzulösen, greifen Sie in die Trickkiste. Sie zapfen die Rücklagen der Pflegeversicherung an. Damit eröffnen Sie den Wahlkampf. Verbesserungen im Wahlkampfjahr 2017 finanzieren Sie aus den dringend nötigen Reserven. Auf Dauer gesehen bedeutet das Beitragserhöhungen oder Leistungskürzungen an anderer Stelle, weil Sie sich nicht trauen, grundsätzlich die Finanzarchitektur der Pflegeversicherung zu verändern.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Heike Baehrens (SPD): Das ist ja Unsinn!)

– Ich würde mich freuen, wenn Sie das tun würden. Sie haben das in Ihrer Wahlpropaganda angekündigt, und Sie werden das sicherlich wiederholen. Schauen wir einmal, was daraus wird.

Wenn unterschiedliche Gruppen nicht gegeneinander ausgespielt werden sollen ‑ seien es Beschäftigte gegen Menschen mit Pflegebedarf oder Menschen mit unterschiedlichen Pflegebedarfen gegeneinander ‑, dann müssen wir die Pflegeversicherung auf ein langfristig stabiles finanzielles Fundament stellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für uns als Fraktion Die Linke ist klar: Ein solches Fundament kann nur durch die solidarische Weiterentwicklung der Pflegeversicherung geschaffen werden. Klar ist nämlich auch: Gute Pflege kostet Geld; sie gibt es nicht zum Nulltarif. Gute Pflege ist ein Menschenrecht, und der Zugang zu einer qualitativ hochwertigen und umfassenden pflegerischen Versorgung darf nicht Kostenkalkülen untergeordnet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Der entscheidende Punkt ist, wer den finanziellen Aufwand trägt und wie die Lasten verteilt werden. Hier vertreten meine Fraktion und ich eine ganz klare Position. Die Kosten müssen gerecht verteilt werden.

(Mechthild Rawert (SPD): Richtig! Machen wir auch!)

Das heißt, alle zahlen denselben Beitrag auf ihr gesamtes Einkommen, unabhängig davon, ob es aus Löhnen, Unternehmensgewinnen oder Kapitalerträgen bezogen wird.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Mechthild Rawert (SPD): Das steht bei mir schon in der Rede!)

– Mechthild, ich freue mich, wenn du das mitgehst.

Außerdem müssen die Arbeitgeber endlich auch in der Pflege in die Pflicht genommen werden; denn von einer paritätischen Finanzierung kann hier wohl niemand mehr reden. Niemand soll aus der Verantwortung entlassen werden, weder durch eine Beitragsbemessungsgrenze, die gerade die höchsten Einkommen entlastet, noch durch eine Privatversicherung.

(Beifall bei der LINKEN)

Langfristig gefährdet die Existenz der privaten Pflegeversicherung die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung; denn sie entzieht dem Solidarsystem dauerhaft die Beiträge von Gutverdienenden, gleichzeitig sind ihre Ausgaben aber viel geringer. Die Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung sind pro Versichertem jährlich fast viermal so hoch wie die der privaten Pflegeversicherung.

(Kathrin Vogler (DIE LINKE): Reichtum hält gesund!)

Die Mitglieder der privaten Pflegeversicherung sind im Schnitt deutlich jünger und verdienen besser als die Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung. Während die private Pflegeversicherung mit ihren Rücklagen von rund 25 Milliarden Euro – das muss man sich einmal vorstellen – etwa 32 Jahre lang die Ausgaben für die Pflege decken kann, reichen die Vermögensrücklagen der sozialen Pflegeversicherung gerade einmal ein Quartal lang. Das ist gegenüber den fast 70 Millionen Versicherten in der sozialen Pflegeversicherung zutiefst ungerecht. Hier muss umverteilt werden, solidarisch und gerecht.

(Beifall bei der LINKEN – Mechthild Rawert (SPD): Einbeziehen!)

Mit dem entsprechenden politischen Willen ist das alles relativ unkompliziert machbar. Dadurch dass beide Versicherungen identisch ausgestattet sind, haben wir faktisch fast eine Versicherung für alle. Wir, die Linke, wollen einen Schritt nach vorne gehen, hin zur solidarischen Pflegeversicherung. Ich fordere Sie auf: Gehen Sie diesen Schritt mit uns.

(Beifall der Abg. Kathrin Vogler (DIE LINKE))

Eine unabhängige Studie hat ergeben, dass der Beitragssatz der Pflegeversicherung trotz Ausgleich des Realwertverlusts und einer sofortigen Erhöhung der Sachleistungen um 25 Prozent langfristig deutlich unter 2 Prozent gehalten werden kann, also unterhalb des derzeitigen Niveaus. Das schafft die Voraussetzung dafür, dass alle nach ihren individuellen Bedürfnissen versorgt werden können.

Für die Beschäftigten ließen sich faire Arbeitsbedingungen und gute Löhne verwirklichen. Eine tarifgerechte Vergütung der Pflegefachkräfte und die Refinanzierung von Tariferhöhungen wären in einer Bürgerversicherung möglich.

Meine Damen und Herren von der Koalition, mit unserem Antrag stellen wir Ihnen die Frage, was Ihnen würdevolle Pflege wert ist.

(Mechthild Rawert (SPD): Viel!)

Ich fordere Sie auf: Enttäuschen Sie die Menschen mit Pflegebedarf, ihre Angehörigen und die Beschäftigten nicht. Gehen Sie diesen Weg mit uns.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

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