Mein Redebeitrag in der Orientierungsdebatte zum Thema Sterbebegleitung

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In den vielen Jahren meiner Tätigkeit im Pflegebereich sind mir viele Fragen und Wünsche zu Ohren gekommen, darunter auch der Wunsch, nicht mehr leben zu wollen. Ich will es vorwegnehmen: Ich selbst bin noch zu keiner ganz endgültigen Entscheidung gelangt, wie mit dem Thema Sterbebegleitung umzugehen ist. Allerdings bin ich mir sicher, dass wir gemeinsam dafür Sorge tragen müssen, dass die Palliativversorgung auskömmlich finanziert, gestärkt und ausgebaut wird.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es darf nicht sein, dass aufgrund einer schlechten Versorgung, aufgrund von Schmerzen oder deshalb, weil kein Hospizplatz zur Verfügung steht, oder aus Angst davor, die Angehörigen durch hohe Pflegezuzahlungen finanziell zu belasten, nach einem assistierten Suizid verlangt wird.

Mehr als 300 000 Menschen versterben in Pflegeeinrichtungen. Auch hier muss medizinisch, strukturell und ökonomisch eine souveräne Palliativversorgung sichergestellt werden, sodass niemand aus Einsamkeit, wegen Schmerzen oder Vernachlässigung zu einem Sterbewunsch kommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Hospizversorgung muss im ländlichen wie im urbanen Raum ausgebaut werden. Es muss auch ein Rahmen geschaffen werden, in dem die ambulante Hospizversorgung uneingeschränkt gewährleistet wird; denn viele sterbende und schwerstkranke Menschen würden gerne in der letzten Lebensphase im gewohnten Umfeld versorgt werden.

Ich teile die Auffassung von Hermann Gröhe und anderen, die in einem Papier der letzten Tage schreiben, dass schwerkranke und sterbende Menschen die bestmögliche menschliche Zuwendung, Versorgung, Pflege und Betreuung erhalten müssen. Ich möchte das um zwei Punkte ergänzen: Sie müssen erstens eine bestmögliche medizinische Begleitung bekommen. Zweitens muss das alles unabhängig davon stattfinden, ob sich die Familien und Angehörigen das leisten können.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese vollumfängliche gute Versorgung für Menschen mit hohem oder sehr hohem Pflegebedarf, für Menschen mit nahendem Lebensende sind für mich durch Artikel 1 des Grundgesetzes sichergestellt; denn zu einem Leben in Würde gehört auch das Sterben in Würde.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Doch diese Würde ist meiner Überzeugung nach nicht denkbar ohne Selbstbestimmung. Dazu möchte ich hier einige Fragen in die Diskussion einbringen: Gehört zu der Autonomie, frei über sich entscheiden zu können, auch, lebensverlängernde Maßnahmen jederzeit ohne Patientenverfügung ablehnen zu dürfen? Wer entscheidet außer den Betroffenen selbst, welche Schmerzen erträglich sind? Wer entscheidet außer den Betroffenen selbst, ob ein Leben zwar ohne Schmerzen, aber in Bewegungsunfähigkeit noch würdevoll ist? Darf der Staat darüber entscheiden, ob sich Betroffene Hilfe zum Sterben erbitten dürfen, um somit nach eigenem Empfinden würdevoll aus dem Leben zu scheiden? Wie weit darf oder muss Selbstbestimmung gehen?

Eine gute Freundin sagte mir einmal, ausschließlich sie allein habe zu entscheiden, wie lange sie ein als qualvoll empfundenes Leben zu ertragen habe. Das hat mich sehr berührt, weil ich der Auffassung bin, niemand sollte ein Leben als qualvoll empfinden. Selbst Hippokrates verlangte von dem Arzt – ich zitiere -: Im Unheilbaren aber muss er sich auskennen, damit er nicht nutzlos quäle. – Diese Entscheidung über Empfindungen kann aber nur der oder die Betroffene selber treffen, und das muss akzeptiert werden.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD)

In der Sache liegt meine Freundin auch richtig, da der Suizid juristisch nicht relevant ist.

Ich wünsche mir natürlich – das habe ich vorhin schon angesprochen -, dass wir alle Voraussetzungen schaffen, dass die Wünsche nach Suizid gar nicht erst aufkommen. Aber wenn der Entschluss, nachvollziehbar oder nicht, durch den Betroffenen oder die Betroffene selbst getroffen ist und wir anerkennen, dass Selbstbestimmung zur Würde des Menschen gehört, müssen wir uns als Gesetzgeber die Frage stellen: Wie können wir sicherstellen, dass auch Menschen, die nicht in der Lage sind, einen selbstständigen Suizid zu vollziehen, selbstbestimmt über Leben und Tod entscheiden können?

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD)

Auf der anderen Seite ist zu klären, ob es in Zukunft eine Institutionalisierung geben soll, in der verzeichnet wird, wer auf Verlangen berechtigt ist, aktive Suizidassistenz zu leisten und wer nicht. Einer geschäftsmäßigen Sterbehilfe, um wirtschaftlich oder aus anderen Gründen davon zu profitieren, kann ich persönlich nicht zustimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, dass ich bei diesem Thema mehr Fragen als Antworten habe. Ich bin aber zugleich froh, dass wir uns die Möglichkeit gegeben haben, in dieser Orientierungsdebatte eben diese auch aufzuwerfen.

Zusammengefasst bin ich der festen Überzeugung, dass wir alles dafür tun müssen, dass eine Pflege- und Palliativversorgung in Würde und selbstbestimmt ohne seelische und materielle Not gewährleistet wird.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

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