Das Gesundheitsministerium überschlug sich zum Jahresende mit Selbstlob und behauptete, es hätte Großes für die Pflege geleistet. Die pflegepolitischen Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag Pia Zimmermann und Harald Weinberg ziehen eine andere Bilanz:
Das Selbstlob des Gesundheitsministeriums ist bei genauerem Hinsehen große Augenwischerei. Ohne Gesamtkonzept, ohne echten Reformwillen und ohne politische Orientierung doktert Minister Spahn an den Auswüchsen der verfehlten Pflegepolitik der letzten Jahrzehnte herum. Und so muss hinter jeden Schritt für die Pflege ein großes ABER gesetzt werden, weil zu wenig getan und orientierungslos vorgegangen wird. Um den Pflegenotstand zu stoppen, reicht das nicht.
2019 werden mehr Pflegestellen finanziert. In der Altenpflege werden 13.000 neue Stellen geschaffen. ABER die Arbeitsbedingungen und die Gehälter in der Pflege sind so schlecht, dass ausgeschriebene Stellen monatelang unbesetzt bleiben. Fast die Hälfte der Altenpfleger*innen sind über 50 Jahre alt, viel zu wenige werden ausgebildet und die Menschen werden immer älter.
In den Krankenhäusern werden mehr Pflegestellen finanziert. In diesem Jahr übernehmen die Krankenkassen die Kosten für jede neu geschaffene und jede aufgestockte Stelle in der Pflege am Bett. Ab 2020 werden die Personalkosten für Pflegekräfte nicht mehr durch die Fallpauschalen (unter)finanziert, sondern kostendeckend erstattet. Das ist ein Fortschritt, der für alle Berufsgruppen im Krankenhaus gelten muss.
ABER um dem Pflegenotstand in Krankenhäusern ein Ende zu bereiten, greift diese Regelung zu kurz: Noch immer verweigert die Bundesregierung eine gesetzliche Personalbemessung, die sich am pflegerischen Bedarf orientiert. Die sogenannten Personaluntergrenzen sind ein großer Bluff und eine herbe Enttäuschung für alle Pflegekräfte und Patient*innen. Sie gelten nur in sehr wenigen Bereichen und werden keine spürbare Wirkung haben.
Es kommt Bewegung in die Pflege, weil auch viele Arbeitgeber*innen erkannt haben, dass sie etwas tun müssen, um die Fachkräfte zu halten. So werden plötzlich immer häufiger Tariflöhne gezahlt. ABER durch die Gehaltssteigerungen werden die Eigenanteile für die Bewohner*innen in den Pflegeheimen dramatisch teurer. Und da die Pflegeversicherung nur eine Teilleistungsversicherung ist, müssen die Betroffenen und ihre Familien das bezahlen. Die Kosten tragen also die Menschen mit Pflegebedarf, auch wenn die Arbeitgeber*innen sich mit den Erfolgen brüsten. Die Interessen der Pflegekräfte dürfen aber nicht gegen die Interessen der Menschen mit Pflegebedarf ausgespielt werden.
Rund 2,5 Millionen Menschen mit Pflegebedarf werden in Deutschland zu Hause versorgt, meistens von den Frauen der Familie. ABER tausende Familien haben in diesem Jahr vergeblich nach einem Pflegedienst gesucht, um dafür etwas Unterstützung zu bekommen. Es gibt kaum noch ambulante Pflegedienste, die überhaupt in ländliche Gebiete fahren. Für die ambulante Versorgung von Menschen mit Pflegebedarf hat sich 2018 überhaupt nichts verbessert, für die Kolleg*innen in der ambulanten Pflege auch nicht. Die Gehälter der ambulanten Pflegekräfte sind ein Drittel niedriger als die im Krankenhaus und die meisten Pflegenden arbeiten ungewollt in Teilzeit.
Mit der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag haben wir uns gemeinsam mit den Angehörigen von Pflegeheimbewohner*innen gegen eine Erhöhung der Eigenanteile in den Pflegheimen eingesetzt. Unser Antrag zur Deckelung der Eigenanteile wurde im Parlament abgelehnt. Wir haben uns für die Refinanzierung tariflicher Löhne auch in der ambulanten Pflege eingesetzt. Der Druck wurde so groß, dass die Regierung diese Forderung in das Pflegepersonalstärkungsgesetz übernommen hat.
Wir haben deutlich gemacht, welche Reformen für die Pflege in Deutschland wirklich wichtig sind – und werden 2019 nachlegen. Wir brauchen einen Systemwechsel. Das fängt bei der Pflegevollversicherung an und hört beim Flächentarifvertrag für alle Pflegekräfte noch lange nicht auf. Die Sonntagsreden von Herrn Spahn helfen weder den Pflegekräften noch den Menschen mit Pflegebedarf und ihren Angehörigen.