Pflegepetition trifft den Nerv Hunderttausender

Systemwechsel in der Pflege: Eine Frage der Menschlichkeit

Am kommenden Montag berät der Petitionsausschuss in öffentlicher Sitzung die Petition der Zeitschrift Stern für eine „Pflege in Würde“, eingebracht von Dr. Bernhard Albrecht. Mit der im November eingereichten Eingabe werden u. a. bessere Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal und eine Abkehr vom Profitdenken im Gesundheitswesen gefordert. 

Pflegepetition hat Nerv der Zeit getroffen

Kerstin Kassner, Obfrau der Fraktion DIE LINKE im Petitionsausschuss, zeigte sich von der großen öffentlichen Unterstützung für die Petition beeindruckt: „In vier Wochen haben mehr als 200 000 Menschen die Petition online mitgezeichnet. Zudem hat der Petent über 120 000 weitere Unterschriften im Bundestag an die Abgeordneten des Ausschusses übergeben. Damit ist diese Petition eine der am meisten unterstützten in der Geschichte des Parlaments.“ 

»Kollektiver Hilferuf«

Harald Weinberg, krankenhauspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, sieht die über 300 000 Unterschriften als kollektiven Hilferuf: „Der große Zuspruch für diese Petition ist Ausdruck davon, wie sehr alle Beteiligten – Pflegekräfte, Patient:innen, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen – unter dem jetzigen System leiden.“ Nicht nur die Schwächsten und Hilfebedürftigsten werden unwürdig behandelt, sondern auch diejenigen, die sie versorgen. Den Grund dafür sieht Weinberg in der Gewinnorientierung des Gesundheitssystems, für die die Politik durch den Privatisierungskurs der vergangenen Jahre die Weichen gestellt hat: „Profitieren tun nur private Konzerne, die auf Kosten aller die Solidarsysteme plündern. Es ist Zeit für einen echten Systemwechsel, der sich am Gemeinwohl orientiert und den ökonomischen Druck von den Einrichtungen nimmt.“

»Wir brauchen einen Pflegeaufstand!«

Bundesgesundheitsminister Spahn hat bereits im Vorfeld der Anhörung immer wieder deutlich gemacht, dass es einen echten Systemwechsel hin zu würdevoller, bedarfsgerechter Pflege mit ihm nicht geben wird. Aber das öffentliche Problembewusstsein nimmt ebenso zu wie das Selbstbewusstsein der Betroffenen. Das zeigt die hohe Beteiligung an der Petition ganz deutlich. Weinberg sieht genau darin das Potenzial, endlich einen Kurswechsel zu erreichen: „Um den Pflegenotstand zu beseitigen, brauchen wir einen Pflegeaufstand der Betroffenen. In Ansätze existiert hierfür bereits eine Dynamik, beispielsweise in den Kämpfen für mehr Personal und Entlastung, die ver.di seit einigen Jahren in den Krankenhäusern führt.“

»Spahn ist jetzt in der Pflicht«

Auch Pia Zimmermann, pflegepolitische Sprecherin der Fraktion, spürt den Rückenwind, den die Petition auch ihren Anliegen gibt: „Dem starken Votum der Menschen darf Herr Spahn nicht mehr ausweichen“, stellt sie klar. „Spürbar höhere Gehälter für deutlich mehr Pflegekräfte und die Abkehr vom Profit in der Pflege – das bedeutet nicht weniger als einen grundlegenden Systemwechsel, für den auch DIE LINKE seit Jahren kämpft.“ 

Gute Pflege: eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Zu unterstreichen sei deshalb auch der Hinweis der Petition, dass eine gute Pflege nur „als gesamtgesellschaftliche Aufgabe finanzierbar“ ist. Denn mehr und zugleich besser bezahlte Pfleger:innen kosten Milliarden, stellt die Pflegeexpertin klar. Eine grundlegende, das System verändernde Reform der Finanzierung ist daher der Dreh- und Angelpunkt für die Frage, ob es Richtung »Gute Pflege« oder Richtung »Pflexit« geht, also immer mehr Pflegekräfte den Beruf verlassen. 

Gute Pflege ist solidarisch finanzierbar

Zimmermann lässt aber keinen Zweifel daran, dass die für eine gute Pflege erforderlichen Milliarden nachgewiesenermaßen gut finanzierbar sind: „Wenn die bislang privat Versicherten in ein solidarisches System eingebunden werden, sind wir schon einen guten Schritt weiter. Und wenn endlich alle Einkünfte einheitlich für den Beitrag berücksichtigt werden, also auch Kapital-, Zins- und Mieteinnahmen, kann eine bessere Pflege sowohl solide als auch solidarisch finanziert werden.“ 

Pragmatische Schritte sind sofort möglich – und nötig

Auch sofortige pragmatische Schritte in diese Richtung hat die Fraktion DIE LINKE immer wieder aufgezeigt. Pia Zimmermann appelliert an den Bundesgesundheitsminister, sofort wenigstens die Beitragsbemessungsgrenze anzuheben: „Bleiben umgehende entschlossene Schritte aus, werde sich der Pflegenotstand weiter zuspitzen und der »Pflexit« weiter an Fahrt gewinnen. Das können wir nicht hinnehmen.“

Pflegekräfte: Mehr als nur einen Applaus wert!

Kerstin Kassner wies darauf hin, dass in der Sitzung am Montag, an der auch der Petent teilnehmen wird, noch keine Entscheidung über den Ausgang des Petitionsverfahrens getroffen werde: „Die Entscheidung wird leider in geschlossener Sitzung zu einem späteren Zeitpunkt getroffen. Die Fraktion DIE LINKE wird natürlich ein positives Votum ausbringen. Die Koalitionsfraktionen müssen sich entscheiden, ob ihnen die Pflegekräfte mehr als nur einen Applaus wert sind.“