Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Herbst letzten Jahres legen sich in Deutschland in vielen Städten immer mehr Menschen samstags fünf vor zwölf auf die Straße und auf Plätze. Damit wollen sie zum Ausdruck bringen, dass in der Pflege hierzulande etwas nicht in Ordnung ist, dass die Pflege hierzulande am Boden liegt. Ich selber habe 15 Jahre im Pflegebereich gearbeitet und weiß genau: Sie legen sich auf die Straße für mehr Wertschätzung und Anerkennung ihrer Arbeit, für ein grundsätzlich anderes Verständnis von Pflege und für eine menschenwürdige Pflege.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Linke unterstützt dieses Anliegen; denn gute und umfassende Pflege ist ein Menschenrecht.
Und was machen Sie, meine Damen und Herren von der Großen Koalition? Sie täuschen Handlungsbereitschaft vor, anstatt die Probleme in der Pflege ernsthaft anzugehen.
(Beifall bei der LINKEN – Rudolf Henke (CDU/CSU): Das ist doch gar nicht wahr!)
Die Pflegeversicherung ist ungerecht. Als Teilleistungsversicherung macht sie gute Pflege vom Geldbeutel der Betroffenen abhängig, und das ist mit uns nicht zu machen.
(Beifall bei der LINKEN)
Gute Pflege darf kein Privileg sein, sondern muss für alle umfänglich zugänglich sein entsprechend den individuellen Bedürfnissen jedes einzelnen.
Schauen wir uns einmal an, was Sie vorhaben. Sie wollen die Leistungen der Pflegeversicherung um 4 Prozent anheben, das heißt eine Erhöhung um 4 Prozent in jeder Pflegestufe. Das verkaufen Sie als Verbesserung. Aber das muss in aller Deutlichkeit gesagt werden hierbei handelt es sich um eine längst überfällige Anpassung der Leistungen der immer teurer werdenden Pflege, Herr Minister Gröhe, und zudem ist es eine unzureichende Anpassung. Sie selber schreiben in dem heute vorliegenden „Bericht der Bundesregierung über das Ergebnis der Prüfung der Notwendigkeit und Höhe einer Anpassung der Leistungen der Pflegeversicherung“, dass Sie noch nicht einmal die vollständige Angleichung an die Preisentwicklung vornehmen, weil diese in den Jahren 2011 und 2012 vom hohen Anstieg der Energiepreise bestimmt war. Dies, meine Damen und Herren, lasse ich ganz unkommentiert.
Nur so viel: Hier zeigt sich deutlich, dass die immer wieder von den Verbänden formulierte Kritik an den fehlenden Regeln für diese Leistungsdynamisierung durch die Pläne der Bundesregierung einmal mehr bestätigt wird. Damit Anpassungen der Leistungen der Pflegeversicherung nicht weiterhin von politischer Willkür und vom politischen Gutdünken abhängig sind, fordern wir eine gesetzliche, verbindliche jährliche Leistungsdynamisierung.
(Beifall bei der LINKEN)
Darüber hinaus muss die Pflege vollumfänglich ausfinanziert werden. Wir haben hier eine gesellschaftliche Verantwortung. Menschen mit Pflegebedarf, mit körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen haben einen Anspruch auf eine gute umfassende Pflegeversorgung, die sich nicht an Profiten orientiert, sondern an ihrem individuellen Bedarf.
(Beifall der Abg. Kathrin Vogler (DIE LINKE))
Herr Minister Gröhe, diese Verantwortung darf nicht ins Private abgeschoben werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Heute ist es so: Wer sich professionelle Pflege nicht leisten kann, ist auf die Unterstützung und auf ehrenamtliche Pflege aus der Familie und dem sozialen Umfeld angewiesen. Wer wo wann von wem gepflegt wird, muss aber eine selbstbestimmte Entscheidung der Betroffenen sein. Diese Entscheidung darf natürlich nicht durch finanzielle Nöte beschränkt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Und da ist noch etwas: Sie haben die Personalsituation in der Pflege überhaupt nicht im Fokus Ihres politischen Handelns. Sie behaupten zwar, mit der ersten Stufe der Pflegereform die Personalsituation verbessern zu wollen, tatsächlich tun Sie das aber nicht. Herr Minister Gröhe, es kommt nicht nur darauf an, die Anzahl der Köpfe zu erhöhen, sondern es kommt auch darauf an, die Ganzheitlichkeit in der Pflege wiederherzustellen und das, was wir haben, zu behalten. Wenn Sie auf der Seite der Betreuungskräfte den Personalschlüssel erhöhen, aber auf der Seite der Pflegefachkräfte alles beim Alten lassen, senken Sie insgesamt das Pflegeniveau.
(Beifall bei der LINKEN)
Weder für die Pflegefachkräfte noch für die Betreuungskräfte wird es weniger Belastung geben. Die einen tragen Verantwortung und müssen zusehen, wie sie im Schweinsgalopp ihre Arbeit erledigt bekommen; die anderen tragen Verantwortung, erledigen die Betreuungsarbeit im Dauerlauf, und alle haben keine Chance, sich fort- und weiterzubilden.
Die meisten Menschen, die in der Pflege arbeiten, haben diesen Beruf ergriffen, weil sie gerne mit Menschen zusammenarbeiten wollen. Für sie sind Gespräche, Unterstützung bei der Grundpflege sowie soziale Interaktion elementarer Bestandteil ihres beruflichen Selbstverständnisses. Die Unterteilung von Pflege- und Sorgearbeit in verschiedene Arbeitsprozesse, nämlich Pflege auf der einen Seite und Betreuung und Unterstützung auf der anderen Seite, zerstört das Verständnis von umfassender Pflege. Herr Minister, so wird umfassende Pflege weiter abgewertet, und eine Attraktivitätssteigerung der Pflegeberufe findet nicht statt.
Meine Damen und Herren, kommen wir zur Bezahlung. Damit Lohndumping in der Pflege endlich ein Riegel vorgeschoben wird, muss der Pflegemindestlohn für Helferinnen und Helfer auf 12,50 Euro, wie es auch Verdi fordert, erhöht werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Für Fachkräfte darf ein Bruttogehalt von 3 000 Euro nicht unterschritten werden. Auch die Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten in der Pflege müssen spürbar verbessert werden. Aber statt einer solchen Anerkennung der professionellen Pflegearbeit schaffen Sie mit dieser Reform ein neues Einfallstor für prekäre Beschäftigung in der Pflege. Sie wollen Pflegesachleistungen in niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote umwidmen. Die Pflegesachleistungen waren bisher für die Finanzierung von ambulanten Pflegedienstleistungen vorgesehen. Nun sollen aus diesen Mitteln Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Helferinnen und Helfer bezahlt werden. Meine Damen und Herren, so geht das nicht. Dass dahinterstehende Verständnis ist doch Folgendes: Pflege kann jeder. Das ist eine Missachtung der hochanspruchsvollen Arbeit der Pflegekräfte.
(Beifall bei der LINKEN)
Außerdem liegt die Vermutung nahe, dass mit diesem Schritt ein eigenständiger Sektor an niedrigschwelligen Entlastungsangeboten geschaffen und der private Pflegemarkt weiter ausgebaut werden soll.
Meine Damen und Herren, die Linke fordert Sie auf: Lassen Sie die Pflege nicht länger am Boden liegen!
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir wollen das Recht auf selbstbestimmte Pflege in den Mittelpunkt stellen, sowohl für die Pflegebedürftigen als auch für die Pflegenden. Pflege und Betreuung müssen sich an den individuellen Bedürfnissen der Pflegebedürftigen ausrichten. Angehörige und nahestehende Personen müssen entlastet werden. Die Arbeitsbedingungen in der Pflege müssen unbedingt grundlegend verbessert werden. Das Pflegepersonal muss gerecht entlohnt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Um all das verwirklichen zu können, braucht es eine entsprechende Finanzierung; das ist klar. Wir als Partei der Pflegegerechtigkeit schlagen Ihnen dafür die solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung vor.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)